Nacer Ziani: Was Menschen verbindet, ist mehr als das, was sie trennt

Durch sein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) kam Nacer Ziani aus Algerien zum Masterstudium der Sprachwissenschaften nach Deutschland. Heute setzt er sich auch für Menschen ein, die auf Grund ihrer Behinderung Assistenz benötigen. Seine derzeitige Ausbildung am Institut für Soziale Berufe (IfSB) zum Heilerziehungspfleger gibt ihm das nötige Rüstzeug.

Er ist ein ruhiger, zurückhaltender und freundlicher Mensch. Das umfangreiche Engagement des 32-Jährigen sticht daher nicht sofort ins Auge. Aber wenn er in gutem Deutsch von seinem fünfmonatigen Praktikum im Bundestag schwärmt, ist sein Enthusiasmus nicht zu überhören. „Es war die schönste Phase in meinem Leben,“ schildert er. Seine eigene Ausbildung brachte ihn nach Deutschland. Unter anderem auch die guten deutschen Sprachkenntnisse erwarb er sich beim Studium der Sprachwissenschaften.

Brückenbauer zwischen den Ländern

Auch das Praktikum im Bundestag konnte er mit Hilfe eines Stipendiums absolvieren. Mit den Mitstudierenden, die aus allen Herren Ländern kamen, ist er weiterhin in Kontakt. Die jungen Menschen werden immer wieder vom Bundestag eingeladen, wo Ziani dann persönlich auf den ein oder anderen Bundespolitiker, wie die Bundestagspräsidentin trifft. Am sogenannten Ländertisch der Alumni vertritt er Algerien und sieht sich als Brückenbauer. „Was Menschen verbindet, ist mehr als das, was sie trennt“, lautet seine Überzeugung. Seine Kontakte zu den deutschen und algerischen Botschaften sind für seine Vision hilfreich.

Weg in den Sozialbereich

Fast hätte man vermutet, dass es ihn in die Politik zieht. Doch beruflich hat er einen anderen Weg eingeschlagen. Nach seiner Zeit in Berlin arbeitete er eine Weile als Deutschlehrer in Jordanien. Es zog ihn aber wieder nach Deutschland, auch um seine Sprachkenntnisse besser einzusetzen. Bei der Recherche im Internet stieß er auf das FSJ, das Freiwillige Soziale Jahr. Dieses leistete er bei der Stiftung Liebenau, wo er vor knapp zwei Jahren daran anschließend auch seine Ausbildung in Heilerziehungspflege startete. So fand er den Zugang zur Begleitung von Menschen mit Behinderungen. „Sie brauchen auch ein gutes Leben,“ sagt er schlicht. Das FSJ sieht er als eine wichtige Möglichkeit für den sozialen Bereich, Auszubildende zu gewinnen. Ohne sie kann aus Zianis Sicht die Begleitung von Menschen mit Assistenzbedarf hierzulande langfristig nicht gesichert werden.

Politische Verortung

Sein politisches Engagement ist mit der Berufswahl nicht passé, denn Politik liegt ihm im Blut. Bereits in seinem Heimatland Algerien habe er für seinen Vater, der im Gemeinderat war, Wahlplakate aufgehängt. Er selbst hat sich einmal für die Wahl ins Parlament aufstellen lassen. Sehr gefragt von den Parteien, wollte er lieber parteilos und unabhängig kämpfen. Für den Einzug ins Parlament hat es leider nicht gereicht. In Oberschwaben trat er vor ein paar Jahren in der SPD ein: „Die finde ich wirklich toll“, sagt er. Dass die Partei viele Möglichkeiten für Menschen mit ausländischen Wurzeln bietet, dass sie Menschen nicht ausgrenzt und ihm als Mensch Vertrauen schenkt, mag er besonders an ihr. Unlängst habe er vor Parteikolleginnen und -kollegen über den Freiwilligendienst gesprochen, den er ausgesprochen wichtig findet. Er freut sich auch auf die Möglichkeit in Deutschland wählen zu dürfen, sobald er die Staatsangehörigkeit hat. Auch eine Kandidatur für ein politisches Gremium schließt er nicht aus.

Bildung ist Grundlage für eine gute Zukunft

Etwa dreimal pro Jahr reist er nach Algerien. Dann organisiert er jedes Mal ein Event für die Jugendorganisation in seiner Heimat, für die er sich schon lange einsetzt. Er kann sich durchaus vorstellen, irgendwann dauerhaft nach Algerien zurückzugehen, um dort die Ausbildung der Heilerziehungspflege einzuführen. Denn für Menschen mit Einschränkungen sei die Lage in seiner Heimat nicht sehr gut. Für ihre Betreuung und Begleitung sind in der Regel die Familien auf sich selbst gestellt. Hoffnungsfroh macht ihn die Reform, die der jetzige Präsident in Form von mehr Rechten und mehr Teilhabe verspricht. Neben Integration ist für Nacer Ziani Bildung das A und O. Weder seine Mutter (55 Jahre) noch sein 65-jähriger Vater konnten zur Schule gehen. Als Olivenbauern haben sie aber hart dafür gearbeitet, ihren fünf Kindern durch schulische und berufliche Bildung eine gute Zukunft zu ermöglichen. Getreu den Worten von Nelson Mandela, die Nacer Ziani zitiert und lebt: „Bildung ist die mächtigste Waffe, um das Gesicht der Welt zu verändern.“

Anne Oschwald

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