Prof. Dr. Aleida Assmann beim Vortrag

Ein denkwürdiger Abend mit Prof. Dr. Aleida Assmann

05.06.2024 – RAVENSBURG: Die zahlreichen Besucherinnen und Besucher erlebten am 05. Juni in der Pfarrkirche St. Jodok einen Abend voller Inspiration und Nachdenklichkeit. Der Höhepunkt der Ausstellung „Menschenrechte und Menschenpflichten“ des Instituts für Soziale Berufe (IfSB) Ravensburg wurde mit einem packenden Vortrag von Prof. Dr. Aleida Assmann gekrönt. Die renommierte Kulturwissenschaftlerin und Trägerin des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels verwob historische Bezüge und gegenwärtige Herausforderungen zu einem eindrucksvollen Plädoyer für Menschlichkeit.

Kirche als „Segensraum“ für die Botschaft der Nächstenliebe

Christine Mauch, Gemeindereferentin in Sankt Jodok, eröffnete den Abend mit einer herzlichen Begrüßung und betonte die Aufgabe der Kirche, als „Segensraum“ der christlichen Botschaft der Nächstenliebe zu dienen.

Sascha Schmid, Psychologe und Dozent, erinnerte als Vertreter des IfSB in seinen einführenden Worten daran, dass bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen derzeit auf einen Verlust des Gemeinsinns, eine Verrohung des politischen Diskurses und demokratiefeindliche Bestrebungen hindeuteten. Er betonte, dass Orte wie diese Ausstellung wichtig seien, um Aufklärung und gemeinsamen Austausch zu fördern. Schmid betonte die Bedeutung menschlichen Verhaltens gerade im Zeitalter künstlicher Intelligenz und zitierte den Soziologen Norbert Elias: „Der Prüfstein für den Stand der Zivilisation ist nicht die Technik, sondern das Verhalten der Menschen zueinander“.

Ein Stacheldrahtzaun. An ihm hängen Fotos von Menschenrechtsverletzungen und Dehumanisierung
Der Altarraum von Sankt Jodok. Von der Decke hängen runde Scheiben mit der goldenen Regel

Menschenrechte und Erinnerungskultur

Prof. Dr. Assmann nahm diese Gedanken auf und spannte einen weiten Bogen über die 75-jährigen Jubiläen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und des deutschen Grundgesetzes. Sie betonte, dass Menschenrechte stets eng mit einer aktiven Erinnerungskultur verbunden seien. Die lehrreiche Geschichte der Menschenrechte, die sich aus schrecklichen Ereignissen wie dem Armenozid, dem Holodomor und dem Holocaust entwickelte, sei ein unverzichtbarer Impulsgeber für die Gegenwart und Zukunft. Mit großem Lob bedachte sie die Ausstellung des IfSB, die als künstlerische Gestaltung aktiver Erinnerungsarbeit dient.

„Goldene Regel“ als Gemeingut der Menschheit

In ihrem Vortrag stellte Assmann eine zentrale These auf: Menschenrechte und Menschenpflichten seien untrennbar miteinander verwoben. Sie erklärte, dass Menschenpflichten ein Gemeingut der Menschheit darstellen, das Ost und West verbinden könne. Als Beispiel führte sie altägyptische Weisheitslehren, die jüdische Nächstenliebe und die sieben christlichen Werke der Barmherzigkeit an, die alle die universal bekannte „Goldene Regel“ verkörpern. Während Menschenrechte „vertikal“ die Basisrechte des Einzelnen gegenüber Staat und Gemeinschaft formulieren, umfassen Menschenpflichten „horizontal“ die Grundhaltungen des täglichen Miteinanders, geprägt von Empathie und Respekt.

Menschenpflichten leben und fördern

Zum Abschluss ihres Vortrags äußerte Prof. Dr. Assmann die Hoffnung, dass durch die Wiederbelebung der Tradition der Menschenpflichten in den verschiedenen Kulturen das Bewusstsein für die Unveräußerlichkeit der Menschenrechte gestärkt werde. Sie betonte, dass neben ehrenamtlichem Engagement und Zivilcourage im Alltag auch die Ausbildung in sozialen Berufen ein wichtiger Beitrag sei, um Menschenpflichten zu leben und zu fördern.

Dieser inspirierende Abend in St. Jodok wird den Zuhörern noch lange in Erinnerung bleiben – als ein leuchtendes Beispiel dafür, wie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Geiste der Menschlichkeit miteinander verknüpft werden können.

© 

Beitragsbild: IfSB

Icon Geburtstagstorte

Wir haben gefeiert:
50 Jahre Institut für Soziale Berufe
1972–2022